Meine persönlichen Lauftipps

Eine gute Bekannte hat sich zu Ihrem ersten Marathon angemeldet und fragt mich nun nach Trainingsratschlägen. Wenn mich diese Frage auch ehrt, bin ich bestimmt kein Marathonspezialist sondern nur ein Hobbyist, der nun schon ein paar Jahrzehnte läuft.

Hier sind die Dinge, die ich beim Laufen über das Laufen gelernt habe:

  1. Eigene Routinen sind wichtig, ebenso ein guter Plan: Für mich bedeutet dieses (auch außerhalb der Vorbereitung auf ein spezifisches Rennen und über das gesamte Jahr und neben all dem anderen Sport) pro Woche mindestens einen Dauerlauf über einer Stunde plus einen Tag mit Intervallen auf der Bahn. Jeder soll seinen eigenen Rhythmus finden, an der er sich auch halten kann. Wichtig ist aber die Distanzen und Geschwindigkeiten auch mal abzuwechseln – also nicht vergessen, auch einmal schnell zu laufen.
  2. Vorbeugen von Verletzungen hat oberste Priorität: Nichts ist trauriger als verletzungsbedingt nicht an dem angepeilten Marathon teilnehmen zu können. Deswegen bitte:
    1. Krafttraining nicht vergessen (gerne auch plyometrisch), um Muskeln, Sehnen und Bänder zu trainieren
    2. Keine zwei harten Trainingstage aufeinander; Erholungstage nicht vergessen
    3. Volumen und/oder Intensität nur langsam erhöhen
    4. Beschwerden nicht ignorieren, auf den eigenen Körper hören und nett zu sich selbst sein (schwierig aber notwendig)
    5. Auch mal eine Gehpause einlegen (hilft mir vor allem bei langen Läufen: mit extensiven Intervalle von 20 min unterbrochen von 1-2 min gehen kann ich stundenlang laufen und fühle mich am nächsten Tag deutlich frischer als wenn ich durchlaufe)
  3. Kein Geld für Trainingspläne und Leistungsdiagnostik ausgeben: Generische Trainingspläne geben sich oft einen Pseudowissenschaftlichen Anspruch und suggerieren Dir, dass – wenn Du Dich nur an den Plan halten würdest – Du einen Marathon unter vier/dreieinhalb/drei Stunden laufen kannst. Natürlich kannst Du Dich nicht an den Plan halten, da die Belastungen nicht individuell auf Dich eingestellt sind und zwischenzeitlich auch nicht überprüft und angepasst werden (wie es ein echter Trainer tun würde). Gleiches gilt für die sogenannte Leistungsdiagnostik, bei der in der Regel die maximale Sauerstofftransportkapazität (VO2max) und die Laktatschwelle (LT) gemessen werden. Das letzte mal, das ich Marathon geschaut habe, hat jedoch derjenige mit der schnellsten Zeit und nicht derjenige mit der höchsten Laktatschwelle gewonnen. Beide Werte sind nur sogenannte Proxy (oder Stellvertreter) Werte mit äußerst bescheidener Vorhersagekraft für letztendliche Leistung und Trainingsplanung. Am Ende kommt immer das gleiche als Ergebnis der Leistungsdiagnostik heraus (siehe oben): kaufe meinen Trainingsplan, der Dir sagt, dass Du meistens entspannt aber manchmal auch schneller laufen sollst. Wer unbedingt will kann auch den umgekehrten Weg wählen und über die Laufgeschwindigkeit und außerhalb des Labors für umme seinen VO2max in 12 Minuten mit einem einfachen Cooper-Test bestimmen und seinen LT in einem 30 Minuten Tempo Run.
  4. Der beste Fitnesstracker sitzt zwischen Deinen Ohren: Ich selbst benutze manchmal Strava über ein mitgenommenes Telefon, um mir hinterher in aller Ruhe noch einmal meinen Lauf anzuschauen und die Daten mit dem subjektiven Gefühl abzugleichen. Dieses subjektive Gefühl zu trainieren hat für mich (und die von mir trainierten Jugendlichen auf der Mittelstrecke) jedoch Priorität. Ein guter Läufer sollte wissen, wie sich 4 versus 5 min/km anfühlt. Dieses wiederum trainiert sich am besten mit einer einfachen Stoppuhr auf der Bahn (siehe oben).
  5. Die besten Marathonläufer sind oft noch nie vorher einen Marathon gelaufen: Die berühmtesten Beispiel hierfür sind Emil Zatopek, dessen erster Marathon der Goldmedaillenlauf 1952 bei der Olympiade in Helsinki war und Grete Waitz, derer ersten Marathon ihr Sieg beim New York Marathon 1978 in neuer Weltrekordzeit war. Mit anderen Worten gibt es nichts an sich magisches beim Marathontraining zu beachten, welches dieses von einem normalen Mittel- und Langstreckentraining unterscheidet. Im Gegenteil, reines Kilometerfressen führt nur zu einer erhöhten Verletzungsgefahr (siehe oben).fotothek_df_roe-neg_0006305_010_emil_zc3a1topek_bei_einem_wettkampf
  6. Laufe eine kürzere Strecke, wenn Du wissen willst, wie schnell Du im Marathon sein wirst: Um dem Verdacht vorzubeugen, dass ich Daten nicht cool finde, hier die Welt-beste Laufformel, die hundertprozentig funktioniert (und Teil der Argumentation dafür darstellt, dass die Regulation der sportlichen Leistung im Gehirn und nicht in der Peripherie stattfindet): wenn Du Deine aktuelle Zeit für eine bestimmte Distanz unter Wettkampfkonditionen kennst (z.B. einem vor Deinem Marathon gelaufenen 5k), kannst Du mit hoher Präzision Deine Marathonzeit prognostizieren. Also schon einmal für ein paar kürzere Testrennen anmelden.
  7. Sei stolz auf Dich, denn Du bist Teil einer Kultur: Meine Meinung zur Mastersbewegung kennt der Leser bereits, doch ist der große Stadtmarathon natürlich eine ganz eigene Kultur. Zur Geschichte des Marathons gibt es für mich nichts schöneres, als den Dokumentarfilm über Fred Lebow, ein charismatischer Außenseiter und Gründer des New York City Marathon, der bereits mit Krebs diagnostiziert bei seinen ersten und letzten New York Marathon zusammen mit Grete Waitz (ihr letzter Marathon) ins Ziel lief.