Trainingspläne und Ressourcen Allokation – Ein Ausflug in die Finanzwelt

Hier meine konkrete Aufgabe: wie entwerfe ich einen Trainingsplan für den begeisterten Amateur im Modernen Fünfkampf, der nur beschränkte Zeit hat, zu trainieren?

Das Problem ist eines der Allokation von Ressourcen, d.h., der Aufteilung eines Einsatzes (zum Beispiel Zeit oder Geld) auf verschiedene Projekte, um ein mögliches Ergebnis (mehr Punkte im Wettkampf oder eine höhere Rendite auf das eingesetzte Kapital) zu erreichen.

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Wie also löst es ein Unternehmen, das am Ende des Geschäftsjahres freies Kapital hat und dieses gewinnbringend einsetzen möchte.

Leider unterliegen Unternehmen den gleichen menschlichen Beschränkungen wie Sportler im Training. Oft wird einfach das gemacht, was schon im letzten Jahr (nicht) funktioniert hat oder der Eigentümer/Trainer bestimmt autoritär, wohin das Geld/die Zeit fließt.

Dabei ist die Theorie darüber, was man mit freiem Geld tun sollte, eine andere:

  • die erste Entscheidung nämlich ist, ob das Geld überhaupt reinvestiert oder entweder den Aktionären zurückgegeben werden oder der Schuldentilgung dienen soll
  • diese Entscheidung hängt davon ab, wie hoch die erwartete Rendite auf das zu investierende Kapital ist, nämlich (vereinfacht gesprochen) der zusätzliche Gewinn geteilt durch das eingesetzte Kapital. Geld wird nur investiert, wenn die zu erwartende Rendite hoch genug ist
  • hoch genug heißt hier, die Kapitalkosten (nämlich die Kosten dafür sich zusätzliches Geld entweder von den Banken oder Aktionären zu besorgen) übersteigend

Wie könnten wir dieses System der Kapitalallokation auf die Trainingslehre übertragen?

  • statt Geld in Projekte haben wir Zeit in das Training zu investieren
  • statt Geld an die Aktionäre zurückzugeben, können wir diese statt mehr zu trainieren auch unserer Erholung widmen
  • wenn wir schon mehr trainieren, sollte jede zusätzliche Trainingsstunde einen Zweck haben (letztendlich mehr Punkte im Wettkampf) und jede zusätzliche Trainingsstunde konkurriert mit jeder anderen („bringt es mehr, wenn ich noch eine Stunde schwimmen oder laufen gehe?“)
  • auch wir haben „Kapitalkosten“, da jede zusätzliche Trainingsstunde nicht umsonst kommt sondern aus dem endlichen Reservoir der körperlichen, familiären und beruflichen Belastbarkeit schöpft

Praktische Schlussfolgerung für mich ist es daher

  • Nicht einfach das zu tun, was man selbst/andere immer schon getan haben („Dienstag ist immer Lauftraining“)
  • Eine Strategie und ein Ziel für jede Trainingsstunde zu haben, zusätzlichen Aufwand pro Disziplin nach Ziel nicht nach Neigung auswählen („ich hasse schwimmen“)
  • Messen und kritisch hinterfragen, ob dem zusätzlichen Einsatz auch eine Rendite entgegensteht, die die Kosten übersteigt. Oft hat Erholung und Zeit mit der Familie eine höhere Rendite

 

Freiheit für das Individuum – Unterschiede in der Ansprechbarkeit für Training

Coaching really is an individual philosophy. Mark Messier

Bevor wir uns um die praktische Umsetzung der theoretischen Gedanken zur Trainingslehre kümmern, hier noch ein weiterer Stein im Mosaik: die Antwort auf einen Trainingsreiz ist höchst individuell und unterschiedlich.

Nicht nur unterscheiden sich Individuen in ihrem anfänglichen Leistungsniveau (zu großen Teilen dank ihrer genetischen Ausstattung) sondern einige profitieren vom Training deutlich mehr als andere.

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Hier meine Schlussfolgerungen:

  1. Vom Training profitieren (fast) alle, wenn auch unterschiedlich stark
  2. Die Praxis ist wahrscheinlich noch komplexer: meine Hypothese ist, dass sich die Ansprechbarkeit nicht nur zwischen Individuen sondern auch innerhalb eines Individuums je nach trainierter Domäne („Hirn, Muskel, Herz„) unterscheidet
  3.  Zudem ist es unwahrscheinlich, dass die genetische Ausstattung, das unterstützende Umfeld (Familie, Schlaf, Ernährung) und die Ansprechbarkeit auf das Training unabhängige Parameter sind. Stattdessen ist (nicht nur) meine Hypothese, dass diese sich im positiven Sinne verstärken

Wie wir nun zu der echten Individualisierung eines Trainings kommen folgt.

 

Hirnsaft oder Muskelkraft – Was trainieren wir eigentlich

Um von dem abstrakten Gedanken der Trainingsbelastung und Effizienz zu einer praktischen Trainingslehre zu gelangen, ist es erst einmal notwendig zu definieren, was wir eigentlich trainieren. Traditionell definieren wir Ausdauer, Kraft und Koordination als Trainingsziele doch interessieren mich die diesen Fähigkeiten zugrunde liegenden anatomischen und physiologischen Systeme.

Für mich zielt alles Training deswegen auf eine spezifische Anpassung einer der drei folgenden Systeme des Körpers hin:

  1. Herz-/Kreislaufsystem
  2. Bewegungsapparat (Muskeln, Sehnen und Bänder, Knochen)
  3. Nervensystem (zentral und peripher)

Natürlich ist es unmöglich auch nur eines der drei System isoliert zu trainieren – selbst bei langsamem Jogging gibt es Muskelkontraktionen und Aufprallkräfte, die zu längerfristigen Anpassungen des Bewegungsapparates führen, und auch das Gehirn lässt sich nicht ganz ausschalten, da wir sonst stolpern würden.

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Nichtsdestotrotz lohnt es sich die Systeme getrennt zu betrachten, da die Anpassungen spezifisch sind.

Beginnen wir mit dem Herz-/Kreislaufsystem: Hier führt Training vor allem zu einer Stärkung des Herzmuskels, einer Neubildung von Gefäßen und dem Wachstum von Mitochondrien mit dem Ergebnis, dass wir Sauerstoff effizienter zum Muskel transportieren und dort zur Verbrennung nutzen können. Dieses Training wird landläufig auch als Ausdauertraining bezeichnet, obwohl gerade auch hochintensives Intervalltraining die Ausdauer steigert.

Beim Bewegungsapparat führt Training zu einer Anpassung des Muskeldurchmessers (Hypertrophie), zu Erhöhung der Knochendichte und zu einer Verbesserung der mechanischen Eigenschaften der Sehnen und Bänder. Dieses Training wird in der Regel als Krafttraining bezeichnet.

Bei allem komplexen Bewegungsabläufen kommt es beim Training zu einer besser koordinierten Kontraktion verschiedener Muskeln in Verbund und in der richtigen Abfolge in Bezug auf das Bewegungsziel unter Steuerung des Nervensystems. Obwohl es auch allgemeines Koordinationstraining gibt, spielt es eine vergleichsweise geringe Rolle, da das meiste Training des Nervensystems spezifisch für die Bewegung ist (d.h., Fechter trainieren das Fechten, Schützen das Schießen, Schwimmer das Schwimmen und Geiger das Geigen). Das Abrufen der Bewegung geht dabei über Zeit in der Regel von bewusst auf unbewusst über und bricht auch unter psychischer (Konzert in der Carnegie-Hall oder Wettkampf) oder physischer Belastung (die letzten 50m Freistil oder der müde Barpianist in früher Morgenstunde) nicht mehr zusammen. Eine interessante Beobachtung ist, dass die Anpassungsvorgänge hier einerseits deutlich schneller als beim Kraft- und Ausdauertraining erscheinen aber andererseits zur Verfestigung viel länger brauchen. Meisterkurse bei einem berühmtem Geiger/Fechter  können einem einerseits schnell die Augen öffnen, allerdings benötigt das Umsetzen und Perfektionieren Jahre. Ausdauer und Kraftverbesserungen erscheinen hingegen definitiv nicht nach einem noch so intensiven Wochenende wohingegen sie auch nicht länger als ein paar Monate brauchen sollten.

Hier sehen wir auch schon die ersten praktischen Implikationen für eine spezifische Trainingslehre im Modernen Fünfkampf:

  • Ausdauer- und Krafttraining sind über Disziplinen hinweg übertragbar und bergen deswegen Synergiepotential
  • Komplexe Bewegungskoordination ist spezifisch für den Bewegungsablauf und durch allgemeines Training nur (sehr bedingt) übertragbar. Die Trainingseffizienz lässt sich nur durch bewussteres Üben (Deliberate Practise) des spezifischen Bewegungsablaufes verbessern